(ch) Gratis für Jugendliche und halber Preis für Senioren - Genf vergünstigt Abonnemente30.07.2025

Der Kanton Genf übernimmt seit Anfang 2025 für Jahres-Abonnemente für den Genfer Tarifverbund Unireso 100 % für (fast alle) unter 25-Jährigen und 50 % für AHV- und IV-Bezüger der Kosten. Bezogen auf den aktuellen Preis sind dies CHF 400 für die Jugendlichen und CHF 200 für AHV- und IV-Bezüger. Nach etwas mehr als einem halben Jahr zeigt sich jetzt, dass die Nachfrage nach diesen Abonnementen sehr gross ist - aber bisher die Reisendenzahlen nur moderat zugenommen haben.
Um vom Gratis-Abonnement für Jugendliche zu profitieren muss man im Kanton Genf Wohnsitz haben und entweder jünger als 18 Jahre sein oder jünger als 25 Jahre und in Ausbildung sein im Kanton oder auch ausserhalb) oder ein tiefes Einkommen haben. Ebenfalls ein unentgeltliches Jahresabonnement für den Unireso-Verbund erhalten Jugendliche unter 25 Jahre, die zwar ausserhalb des Kantons wohnen, jedoch nach Genf zur Ausbildung pendeln. Für AHV- oder IV-Bezüger gilt die Voraussetzung, dass sie im Kanton Genf wohnhaft sind.
Die Vergünstigung gilt dabei ausschliesslich im Gebiet des Unireso Tarifverbunds (der nur aus der Zone 10 besteht). Die Kombination mit dem Léman Pass ist jedoch möglich, dabei wird aber nur die Zone 10 vergünstigt. Die vergünstigten Abonnemente werden ausschliesslich auf der persönlichen SwissPass-Karte ausgegeben und der SwissPass muss bei der Nutzung jederzeit vorgewiesen werden können.
Grosse Nachfrage nach den Abonnementen…
In den ersten 10 Tagen im neuen Jahr wurden gemäss Unireso-Verbund bereits 24'000 Gratis-Abonnemente an Jugendliche und rund 6000 Abonnemente mit 50 % Ermässigung abgegeben. Damit hatte der Kanton bereits CHF 10.8 Mio. für die Abonnementsvergünstigung ausgegeben. Nach einem Quartal soll die Zahl der vom Kanton vergünstigten Abonnemente bereits bei 73'000 gelegen haben. Geht man vom gleichen Verteiler zwischen 100 % / 50 % Vergünstigung aus, so würde dies bereits Kosten von CHF 26.28 Mio. entsprechen. Das Parlament hatte für die Vergünstigungsaktion basierend auf Schätzungen im Jahr 2024 CHF 32 Mio. pro Jahr gesprochen. Es wird jetzt davon ausgegangen, dass ein Nachkredit bis etwa zur gleichen Höhe notwendig sein wird.
…aber nur geringe Zunahme der Reisendenzahlen
Mehr als die Hälfte der Bezüger der vergünstigten Abonnemente seien Neukunden. Trotzdem hat die Nutzung des öffentlichen Verkehrs nur sehr moderat zugenommen. Die TPG (Busse, Trams im Unireso-Verbund) hat im ersten Halbjahr nur eine Zunahme um 3 % festgestellt - das ist ein Wert, der andernorts auch ohne spezielle Vergünstigungen erreicht wurde. Eine erste fundierte und vollständige Analyse und nicht nur einzelne Zahlen aus verschiedensten Quellen soll im Herbst veröffentlicht werden.
Wie so oft in der Politik gibt es zudem unterschiedliche Interpretationen, was der Zweck der Vergünstigungen sein soll. Während als Begründung oft der angestrebte Umstieg der Leute auf öffentliche Verkehrsmittel genannt wird, hat der Vorsteher des verantwortlichen Departements vor allem davon gesprochen, dass damit das Budget der Mittelschicht entlastet werden soll.
Rechtliche Fragen zu "Gratis-öV"
Wie auch bereits andernorts wurde auch in Genf nach dem Beschluss des Kantonsparlaments gegen die Einführung des "Gratis-öV" geklagt. Es wird dann auf die Bundesverfassung Bezug genommen: "Die Kosten des öffentlichen Verkehrs werden zu einem angemessenen Teil durch die von den Nutzerinnen und Nutzern bezahlten Preise gedeckt." (Abs. 2, Art. 81a, SR 101). Es wird argumentiert, dass "gratis" sicher nicht mehr "zu einem angemessenen Teil" sei. Verschiedentlich (z.b. Stadt Zürich, Stadt Bern, Kanton Freiburg) wurden deshalb Initiativen für unentgeltlichen öV als Verstoss gegen die Verfassung beurteilt und gelangten gar nicht zur Abstimmung. In Freiburg hat auch das Bundesgericht im Jahr 2023 im Urteil 1C_393/2022 entsprechend entschieden.
Gleichwohl ist die Situation alles Andere als eindeutig und sicher von der genauen Angebotsausgestaltung abhängig. In Genf ist der öV ja nicht generell gratis, sondern nur für gewisse Kundengruppen. Es kann deshalb insgesamt weiterhin "ein angemessener Teil" durch die Nutzerinnen und Nutzer bezahlt werden. In Genf wurde die Klage denn auch abgewiesen. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass das Bundesgesetz über den Transport im öffentlichen Verkehr (Transportgesetz, TG) Tariferleichterungen explizit erwähnt: "Bund, Kantone und Gemeinden können Tariferleichterungen verlangen, wenn sie ein kulturelles, soziales, umwelt- oder energiepolitisches, volkswirtschaftliches oder sicherheitspolitisches Ziel anders nicht oder nur mit einem wesentlich grösseren Aufwand erreichen können. Sie zahlen der Unternehmung dafür die volle Entschädigung." (Abs. 1,2, Art. 11, TG 742.40). Auch in der Verordnung über die Abgeltung und die Rechnungslegung im regionalen Personenverkehr (ARPV) wird Art. 11 im Transportgesetz nochmals explizit erwähnt (Art. 47, ARPV 745.16).